Das Verkehrswertgutachten
Wie viel ist eine Immobilie aktuell wert? Diese Frage ist insbesondere beim Verkauf oder Kauf einer Immobilie relevant, kann aber auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen wie einer Scheidung oder Erbangelegenheiten eine große Rolle spielen. In diesem Zusammenhang kommt das Verkehrswertgutachten ins Spiel - und das unterscheidet sich durchaus von den Immobilienbewertungen, die ein Immobilienmakler im Zusammenhang mit einem Maklerauftrag kostenlos anbietet.
Das Verkehrswertgutachten - was ist das genau?
In einem Verkehrswertgutachten wird der Verkehrs- oder Marktwert eines Immobilienobjektes festgestellt - und das entweder von Amts wegen, bei Veräußerung oder auch im Zusammenhang mit dem Immobilienbesitz selbst. Ausschlaggebend ist, dass die im § 194 Baugesetzbuch (BauGB) formulierte Definition des Verkehrswertes berücksichtigt wird. Demnach bezieht sich der Verkehrswert auf den Preis, der sich aktuell für die relevante Immobilie erzielen lässt - und zwar ohne Beachtung persönlicher oder ungewöhnlicher Verhältnisse. Sollen die rechtlichen Verhältnisse der Eigentümer oder in anderer Beziehung Berechtigter geklärt werden, ist ein solches Gutachten zwingend erforderlich.
Immobilienbewertung durch den Makler vs. Verkehrswertgutachten
Viele Immobilienmakler führen zunächst eine Bewertung durch, bevor sie die Vermarktung eines Objektes starten - und das aus gutem Grund: Schon die marktgerechte Festlegung des Verkaufspreises entscheidet über den schnellen Erfolg beim Verkauf. Sie nutzen in der Regel die vorhandenen Daten zur Immobilie, spezielle Berechnungsprogramme, aber auch Erfahrungen wie ähnliche Verkäufe in der jeweiligen Region, um sich dem Marktwert einer Immobilie zu nähern. Dieser Service ist für Eigentümer, die ihre Immobilie verkaufen wollen, in der Regel kostenlos.
Im Gegensatz dazu muss ein gerichtsfestes Wertgutachten für eine Immobilie von einem dazu zugelassenen Sachverständigen erstellt werden. Als Sachverständige sind Personen tätig, die einerseits von offizieller Seite die Befugnis erhalten haben, andererseits die notwendigen Qualifikationen mitbringen. Meist handelt es sich um Architekten und Ingenieure, die auf die notwendigen Fachkenntnisse und Erfahrungen verweisen können. Und: Ein solches Verkehrswertgutachten ist kostenpflichtig. Die Erstellung dauert regelmäßig zwischen drei und sechs Wochen, da alle relevanten Aspekte erfasst werden müssen. Wichtigen Aufschluss geben beispielsweise die Auszüge aus dem Grundbuch und aus der Flurkarte, aber auch Bauunterlagen, Modernisierungs- oder Sanierungsbelege und viele andere Dokumente, die zunächst eingesehen werden müssen. Sollten diese nicht vorliegen, beschafft der Sachverständige die fehlenden Unterlagen.
Unterschied beachten: Gutachten nicht gleich Gutachten
Sachverständige können sowohl Kurzgutachten erstellen als auch ausführliche Versionen - in beiden Fällen wird der Verkehrswert fundiert ermittelt und erläutert. Allerdings enthält ein Kurzgutachten weder ausführliche Berechnungen inklusive Erklärungen noch bezieht es Auszüge aus den Registern mit ein. Diese Version beruht im Prinzip auf vorliegenden Marktdaten sowie den Erfahrungen, die ein professioneller Sachverständiger im Laufe der Zeit erwirbt. Wichtig: Diese verkürzten Gutachten sind nicht rechtskräftig! Soll ein Verkehrswertgutachten im Zusammenhang mit Streitfällen erstellt werden, so muss dies ein ausführliches Verkehrswertgutachten sein. Das ist zwar in der Erstellung aufwendiger und damit auch mit höheren Kosten verbunden, dafür aber rechtskonform.
Verkehrswertgutachten - wann ist es erforderlich?
Ein wichtiger Grund kann der geplante Verkauf einer Immobilie sein: Ein solches Gutachten schützt nämlich beide Parteien - sowohl die Verkäufer als auch die Käufer, da es einen realistischen Preisrahmen absteckt. Darüber hinaus umfasst es eine Dokumentation sämtlicher Unterlagen und Dokumente, die mit der Immobilie im Zusammenhang stehen. Der zum ausführlichen Gutachten gehörende Textteil enthält alle notwendigen Daten und Informationen zum aktuellen Bauzustand - subjektive Eindrücke bleiben hier unberücksichtigt. In der Regel gehören in die Dokumentation Unterlagen wie Kopien
- des Grundbuchauszuges inklusive eventuell eingetragener Baulasten,
- der Auszüge von Flächennutzungs-, Erschließungs- und Bebauungsplänen der jeweiligen Gemeinde,
- Bauzeichnungen und -genehmigungen sowie
- Fotos, die den aktuellen Zustand belegen.
Mit einem solchen Gutachten schließen beide Vertragsparteien den Verdacht auf unlautere Preisbildung oder unzulässiger Nebenabreden von vornherein aus.
Ebenso wichtig ist ein fundiertes Gutachten für Banken, die den Kauf einer Immobilie finanzieren sollen: Einige geben sich mit Formulargutachten zufrieden, andere benennen einen eigenen Sachverständigen, um sich von der Werthaltigkeit des Kaufobjektes zu überzeugen. Das ist umso wichtiger, als dass Banken die Beleihungsgrenze, bis zu der sie ohne Probleme einen Kredit ausreichen, fundiert festlegen müssen. Hier empfiehlt sich immer die Beauftragung eines erfahrenen Sachverständigen, der den Verkehrswert unabhängig und objektiv ermittelt.
Weitere wichtige Gründe für ein Verkehrswertgutachten:
- Erbfälle Vor allem bei Erbengemeinschaften erweist sich ein fundiertes Verkehrswertgutachten als sinnvoll, denn es dient im Ernstfall auch vor Gericht als Grundlage für eventuelle Auseinandersetzungen.
- Scheidungen Haben sich Ehepaare auf die Zugewinngemeinschaft geeinigt, ermöglicht ein solches Gutachten die Aufteilung des gemeinsam erworbenen und im Laufe der Jahre gewachsenen Vermögens.
- Steuern Ob Erbschaft oder Schenkung - das Finanzamt legt in einem solchen Fall den Wert einer Immobilie nach eigener Schätzung fest. Erben und Beschenkte können diese eventuell deutlich von der Realität abweichenden Bewertungen nur mit einem fundierten Verkehrswertgutachten korrigieren.
- Zwangsversteigerungen Kommen Kreditnehmer ihren Verpflichtungen über längere Zeit nicht nach, wird die finanzierende Bank die Immobilie verwerten, um die offene Kreditsumme auszugleichen. Dies geschieht in der Regel im Rahmen einer Zwangsversteigerung, für die ein Gutachter zunächst den Verkehrswert ermittelt.
Verkehrswertgutachten - welche Kosten sind einzuplanen?
Grundsätzlich darf nur ein zugelassener Sachverständiger mit den entsprechenden Qualifikationen und Erfahrungen ein Verkehrswertgutachten erstellen - die Kosten sind also naturgemäß höher, als dies bei der Wertermittlung oder Marktpreisschätzung durch einen Immobilienmakler der Fall ist. Die relevanten Kostenfaktoren sind
- der Umfang des Gutachtens - also Kurz- oder vollständiges Gutachten,
- der Schwierigkeitsgrad und
- der Verkehrswert selbst, der von Größe und Alter des Immobilienobjektes abhängt.
Die Honorare für ein Verkehrswertgutachten können de facto frei vereinbart werden, allerdings gibt die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) den Rahmen dafür vor. Während Sie ein Kurzgutachten schon ab 500 Euro erhalten, sollten Sie für ein umfassendes Verkehrswertgutachten, das auch vor Gericht Bestand hat, deutlich mehr einplanen - je nach Verkehrswert:
- Verkehrswert 300.000 Euro - rund 1.000 bis 1.300 Euro Honorar (HOAI)
- Verkehrswert über 25,5 Millionen Euro - rund 20.000 bis 23.000 Euro (HOAI)
Als Richtwert können Sie 0,5 bis 1 Prozent des ermittelten Wertes ansetzen.
Fazit: Verkehrswertgutachten - teures Vergnügen oder sinnvolle Investition?
Die Antwort hängt immer davon ab, warum Sie eine Wertermittlung benötigen: Geht es um den Verkauf einer Immobilie, könnten Sie mit einer Marktpreiseinschätzung, die Ihnen ein erfahrener und seriöser Immobilienmakler in der Regel kostenlos liefert, oder mit einem Kurzgutachten auskommen. Sobald Sie aber eine gerichtsfeste Bewertung benötigen, sollten Sie auf ein Verkehrswertgutachten zurückgreifen, das ein zugelassener Sachverständiger für Sie erarbeitet. Sie erhalten nicht nur eine fundierte und belastbare Wertermittlung, sondern auch eine vollständige Dokumentation zum Immobilienobjekt.